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To Winterthur

10. September 2035 in der Smart City Winterthur. Das Audi Magazin wagt einen Blick in die Zukunft und begleitet Familie Horcher durch die nachhaltige und energieeffiziente Stadt. Von Studien, Prognosen und bereits realisierten Projekten bis hin zu abenteuerlichen Spekulationen.

Text: Marcel Siegenthaler | Foto: Robert Huber

«Ein flächendeckendes Verkehrsleitsystem sorgt für reibungslose Mobilität. Staus gibt es keine mehr.»

Draussen ist es noch dunkel. Der Hahn im Quartier Talgut wird erst später krähen. Im Zimmer von Tim Horcher wird sanft das Licht hochgedimmt. Auch auf dem 96-Zoll-Display des Teenagers kündigt sich der neue Tag an. «We are going to make the world so great again», lässt Katy Perry verlauten. Obwohl die 16K-Auflösung keine Falten verzeiht, strahlt die 51-jährige US-Präsidentin jugendliche Frische aus. Der 15-jährige Schüler reibt sich die Augen und lässt sich von Siri vorlesen, was dieser Montag für ihn bereithält: «10. September 2035. Wetter in Winterthur: sonnig, maximal 15 Grad Celsius. Agenda: 7.40 Uhr Schulbeginn, 16 Uhr Fussballtraining, 19 Uhr: Meeting IG Urban Farming Smart Quartier Talgut.»

Mit dem Smartphone hat sich Tim vergewissert, dass es im smarten Kühlschrank noch zwei seiner Lieblingsjoghurts hat. Jetzt will er über die Home-App die Kaffeemaschine starten, doch seine Mutter Lea ist ihm zuvorgekommen. Die 46-jährige Architektin hat einen anstrengenden Tag mit einem wichtigen Meeting in Lyss vor sich. Auf ein frisches Croissant zum Kaffee will sie trotzdem nicht verzichten. Deshalb hat sie das Frühstücksgebäck für die ganze Familie sowie Früchte und Milch vom Bauernhof schon am Vorabend online geordert. Tim hört das leise Summen der Drohne, welche die Lebensmittel gerade auf dem Balkon vor der Küche ablegt. «En Guete, Frau Horcher», steht auf der recycelbaren Verpackung.

Über die Thermostat-App hat Vater Noah die Heizung so programmiert, dass es an diesem kühlen Herbstmorgen zur richtigen Zeit warm wird. Einmal mehr hält der 44-jährige Ingenieur seinem Sohn einen begeisterten Vortrag: «Stell dir vor: Die Energie für den Toaster, die Beleuchtung und den smarten Butler stammen von unserem Elektroauto, das in der Nacht Biostrom abgegeben hat.» – «Ja Paps, das weiss ich. Und am Mittag fährt das Auto selbstständig zur nächstgelegenen Photovoltaikanlage und lädt dort seine Batterie wieder auf. Das ist doch schon seit Jahren so», antwortet Tim und verabschiedet sich. Vor dem Haus stolpert er fast über die Mülltonne. Wie jeden Montag ist sie dank ihrem Sensor selbstständig auf den Gehsteig gerollt, um entleert zu werden.

Zur Smart City Winterthur

Kurz darauf verlässt auch Lea das Haus. Sie steigt in das Sharing-Bicar der Stadt, das sie pünktlich vor der Haustüre abholt. Während das dreirädrige Elektrofahrzeug autonom und lautlos Richtung Bahnhof Winterthur fährt, streamt Lea Horcher die Traktandenliste der Konferenz auf die zum Display umfunktionierte Windschutzscheibe. Dank dem Verkehrsleitsystem findet das Bicar beim Bahnhof sofort einen Parkplatz. Die Kosten für die Fahrt werden Lea Ende Monat automatisch belastet.

Die vor knapp einem Jahr eröffnete Swissmetro wird sie in 14 Minuten nach Bern bringen. Während sie mit mehr als 500 km/h unterirdisch Richtung Bundesstadt braust, ruft sie die Energiedatenbank des Quartiers Talgut auf. Alles im grünen Bereich, meldet der Smart Meter: Energiebedarf und Energieangebot zwischen den Gebäuden und den Elektrofahrzeugen befinden sich im Gleichgewicht. Auch die Photovoltaikanlagen auf den Dächern funktionieren einwandfrei. Mehr als 20 Jahre sind vergangen, seit sich das Winterthurer Stimmvolk 2012 für die 2000-Watt-Gesellschaft ausgesprochen hat, denkt Lea. Was damals kaum jemand für möglich hielt: In der Bilanz resultiert heute im Talgut sogar ein Energieüberschuss.

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«Alles okay bei dir, Schatz?» Lea spricht in den Raum des Sharing-Elektroautos, das für sie in Bern bereitgestanden ist und sie nun lautlos zu ihrem Meeting chauffiert. Ohne eine Antwort abzuwarten, erzählt sie, dass sie gerade Schönbühl passiert und sich die Batterie des Fahrzeugs automatisch auflädt. In die Fahrbahn des ersten Solarautobahn-Teilstücks der Schweiz sind Zehntausende von Solarpanels eingebaut. Die Zellen enthalten auch Sensoren, die den Verkehrsfluss messen. Dank innovativer Technologie ist «Stau» ein Wort aus vergangenen Zeiten.

Nachmittag in Winterthur. Tim befindet sich in einem selbstfahrenden Stadtbus, der ihn nach Hause bringt. Stolz postet er auf Facehub, dass er im Fussballtraining drei Tore geschossen hat. Die Videokamera über dem Tor nimmt die schönsten Tore auf, und Tim musste nur «Ja» angeben, damit sie gestreamt werden. Sein Avatar jubelt exzessiver als einst ein gewisser Ronaldo, der jetzt die FIFA präsidiert. Als der Elektrobus in der Nähe eines Kindergartens automatisch sein Tempo reduziert, ist Tim gerade daran, mit seinem Smartphone zu Hause den Backofen vorzuwärmen. Er will mit der Zubereitung seines Abendessens keine Zeit verlieren, denn schon bald trifft sich die IG Urban Farming. Mit dem Ausbau der Gebäudefassaden-Begrünung wollen Tim und seine Mitstreiter das Mikroklima weiter verbessern. Ausserdem tragen sie sich mit dem Gedanken, nebst Hühnern und Hasen auch Schafe anzuschaffen.

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