Roborace, die erste Rennserie für autonome Fahrzeuge, bedeutet mehr als die Präsentation modernster Digitaltechnik. Sie öffnet ein Fenster in die Zukunft des Automobils.
Text: Angus Frazer | Foto: Robert Grischek; Philipp Wente; Axel Hoedt; Brigitta Horvat; AUDI AG
Zehn Autos stehen in der Startaufstellung.
Stille. Kein Motorengebrüll ist zu hören. Plötzlich springt die Ampel auf Grün, und fünf der Autos rasen im Uhrzeigersinn los, die anderen fünf entgegengesetzt. Sie beschleunigen elektrisch betrieben auf bis zu 320 km/h, bevor sie auf halber Strecke in einer extrem schwierigen Kurve aufeinander zurasen. Doch der befürchtete Massencrash bleibt aus. Die Boliden weichen einander bei atemberaubendem Tempo elegant mit einem Abstand von nur wenigen Millimetern aus. Was wie reiner Wahnsinn klingt, könnte in nicht allzu ferner Zukunft gut möglich sein. Denn die Rennwagen werden autonom fahren. Dies zumindest ist die Vision von Roborace in Banbury – 120 Kilometer nordwestlich von London gelegen. Gründer des Unternehmens ist Denis Sverdlov.
Roborace soll die erste internationale Meisterschaft für autonom fahrende Rennwagen werden und ist als Support-Serie der FIA-Formula-E-Rennserie gedacht. Die Autos von Roborace – zum einen das DevBot-Entwicklungsfahrzeug, das sowohl von einem Fahrer als auch von einem System mit künstlicher Intelligenz gesteuert werden kann, zum anderen das fahrerlose Robocar ohne Cockpit und Lenkrad – sind bereits öffentlich auf Rennstrecken gefahren. Bislang hat das Unternehmen drei DevBot-Fahrzeuge, zwei Robocars sowie zwei nicht fahrtüchtige Robocars zu Vorführzwecken gebaut. Eine komplette Rennserie ist frühestens in drei bis fünf Jahren denkbar. Roborace basiert auf drei Pfeilern: Elektromobilität, Vernetzungstechnologie und autonomes Fahren. «Die Herausforderung für die Serie liegt darin, den goldenen Mittelweg zwischen sportlicher Unterhaltung und der Entwicklung einer wirklich relevanten Technologie für autonomes Fahren im Alltag zu finden», erläutert der Brite Bryn Balcombe, Chief Strategy Officer bei Roborace.
Eigentlich sollte eine derart autonome Welt Menschen wie Lucas di Grassi, die ihren Lebensunterhalt als Rennfahrer verdienen, Schauer über den Rücken jagen.
Doch der Brasilianer, nicht nur Audi Fahrer in der Formula-E und amtierender Weltmeister, sondern neuerdings auch CEO bei Roborace, sieht das anders: «Roborace wird niemals den Motorsport ersetzen. Heutzutage sind die Menschen immer noch von Pferderennen begeistert, obwohl man längst kein Pferd mehr braucht, um von A nach B zu gelangen. Ich bezweifle auch, dass jemand mit dem Schachspielen aufhörte, nur weil 1997 der Supercomputer Deep Blue Garri Kasparow in New York schlug.» Aber wird es wirklich so weit kommen, dass ein autonom fahrendes Auto die Rennstrecke schneller absolviert als ein Rennfahrer? «Aktuell kann das Robocar einen durchschnittlichen Fahrer problemlos schlagen. Die Herausforderung ist noch, besser als ein Profi-Rennfahrer zu sein. Aber das ist nur eine Frage der Zeit. Roborace sind keinerlei Grenzen gesetzt, und das Wunderbare daran ist, dass keine Menschenleben aufs Spiel gesetzt werden. So kann man die Technologie immer weiter entwickeln, bis sie ausgereift ist. Wenn sie funktioniert: grossartig. Wenn nicht, dann kommt es nur zum finanziellen Crash.»
Level 2: Teilautomatisierung
Der Fahrer bleibt stets in der Verantwortung, doch das Fahrzeug kann nun ausser Gas geben und verzögern in bestimmten Situationen auch das Lenken temporär übernehmen. Ein Beispiel dafür ist der Stauassistent von Audi wie etwa im aktuellen Audi A4: Auf gut ausgebauten Strassen kann er sich bei zäh fliessendem Verkehr an Fahrbahnmarkierungen, Randbebauungen und anderen Verkehrsteilnehmern orientieren und das Fahrzeug so bis 65 km/h selbsttätig auf der richtigen Spur halten.
Level 3: Hochautomatisierung
Der neue Audi A8 ist für hoch automatisiertes Fahren auf Level 3 konzipiert. Wo es die Gesetze erlauben, kann der Audi AI Staupilot im zäh fliessenden Verkehr auf mehrspurigen Strassen mit baulicher Trennung zur Gegenfahrbahn bis zu 60 km/h das Beschleunigen, Lenken und Bremsen managen. Der Fahrer muss das System nicht mehr permanent überwachen, jedoch wahrnehmungsbereit bleiben und die Kontrolle wieder übernehmen, wenn die Systemgrenzen überschritten werden.
Level 4: Vollautomatisierung
Vollautomatisierte Fahrzeuge benötigen keine Unterstützung des Fahrers. Er kann die komplette Fahraufgabe an das System übergeben. Diese Funktionen sind jedoch auf einen bestimmten Bereich limitiert, zum Beispiel ein Parkhaus oder die Autobahn. Der Fahrer übernimmt erst wieder, wenn das Auto den für das vollautomatisierte Fahren definierten Bereich verlässt. Mit dem Konzeptfahrzeug Elaine präsentierte Audi eine Zukunftsvision auf Level 4.
Level 5: Autonom
Fahrerlose Level-5-Systeme benötigen weder einen Fahrer noch Bedienelemente wie Lenkrad oder Pedalerie. Das Auto holt seine Passagiere an der Haustür ab und fährt sie eigenständig zum gewünschten Ziel. Wer in einem Fahrzeug nach dem Vorbild des Concept Car Audi Aicon unterwegs ist, geniesst ganz neue Freiheiten: Er kann im Internet surfen, einen Film schauen, ein Buch lesen oder einfach mal abschalten.