„Die Batterie-Entwicklung ist gerade unglaublich aufregend“
missing translation: fa.article-intro.reading-time – Text: Patrick Morda und Bernd Zerelles - Animation: Vladislav Solovjov - Foto: Volkswagen AG – 01/15/2024

Professor Fichtner, kein Bauteil ist für ein Elektroauto so 
elementar wie die Speicherbatterie. Was ist die beste Batterie für 
diesen Einsatzbereich?
Eine Batterie, welche die beste 
Kombination der Eigenschaften Speicherkapazität, schnelle Beladbarkeit, 
geringe Kosten, Sicherheit und Nachhaltigkeit in sich vereinigt. Welche 
das genau ist, hängt vom Fahrzeug und seinem Einsatzbereich ab. In der 
Oberklasse zählt eine grosse Reichweite. Im Kompaktsegment sollte eine 
Batterie deutlich günstiger sein, dafür muss sie eine nicht ganz so 
grosse Speicherleistung aufweisen.
Der
 Platz für die Batterie in einem Elektrofahrzeug ist begrenzt. Wie muss 
ein Batteriesystem aufgebaut sein, damit es bei gleicher Grösse mehr 
Speichermaterial aufnehmen kann?
Einige Hersteller arbeiten 
mit dem sogenannten „Cell-to-Pack-Design“, oder auch 
„Cell-to-Body-Design“ genannt. Vereinfacht gesagt werden Batteriepacks 
nicht mehr aus Zellen in Schokoladentafelgrösse aufgebaut, sondern in 
Dielenbrettergrösse. Diese grösseren Einheiten besitzen weniger totes 
Verpackungsmaterial und bieten mehr Raum für das eigentliche 
Speichermaterial. Sie erreichen eine Integrationsdichte von über 70 
Prozent, normale Batterien dagegen nur gut 50 Prozent. Wer als 
E-Auto-Hersteller eigene Batterie-Entwicklungen anstrebt, kann von 
vornherein diese Technologiesprünge im Design berücksichtigen. Denn man 
darf nicht so sehr nur auf die einzelne Batteriezelle schauen, sondern 
muss sich stärker darauf fokussieren, wie man Zellen möglichst 
raumsparend und gross bauen kann.
Welche Fortschritte werden Batterien in den kommenden Jahren machen?
Wir
 erwarten sprunghafte Fortschritte. Für das Jahr 2023 sind erste 
Batteriepacks zweier chinesischer Hersteller angekündigt, welche 
Reichweiten jenseits von 1000 Kilometern ermöglichen sollen. 
Gleichzeitig soll man damit in der Lage sein, 700 Kilometer Reichweite 
in weniger als zehn Minuten zu laden. Selbst mich als Forscher 
überrascht diese Dynamik in der Entwicklung. Das wäre ein grosser Sprung 
in der Batterietechnologie, der noch gar nicht einmal auf neuer 
Batteriechemie basiert, sondern auf technologischen Massnahmen.
„Wer als E-Auto-Hersteller eigene Batterie-Entwicklungen anstrebt, kann von vornherein Technologiesprünge berücksichtigen.“
 

Prof. Dr. Maximilian Fichtner forscht in Deutschland an der Batterietechnologie der Zukunft.
Mehr über Prof. Dr. Maximilian Fichtner
Die Leistungsaufnahme wird ja häufig vernachlässigt. Wie ist der Zusammenhang zwischen Laden und Batterietechnologie?
Ja,
 das stimmt, denn wann fährt man schon einmal 600 Kilometer am Stück? 
Wichtig bei grossen Batterien ist deshalb, dass sie die Möglichkeit 
bieten, schnell zu laden. Das ist das eigentliche Argument. Wenn man den
 Akku seines E-Fahrzeugs in zehn Minuten von zehn auf 80 Prozent lädt, 
nimmt das dem Verbrennungsmotor jedes Argument. Es gibt Materialien, die
 lassen sich schneller beladen, und solche, die sich langsamer beladen 
lassen. Technisch gesehen verschieben sich die Lithium-Ionen in der 
Batterie beim Laden vom Pluspol zum Minuspol, dort müssen sie sozusagen 
hineinkrabbeln, sich einlagern.
Im Augenblick verwendet man am Minuspol eine Graphit-Schichtstruktur. Es gibt schon Batteriehersteller, die hier Silizium-Kohlenstoff-Komposite einsetzen wollen. Diese sind deutlich schneller beladbar, auch bei tiefen Temperaturen. Da ist materialseitig viel Entwicklungspotenzial. Allein durch diese Materialänderung am Minuspol erhält die Gesamtzelle 30 Prozent mehr Speicherkapazität. Da sind noch unglaublich grosse Entwicklungssprünge möglich. Abgesehen davon: Wenn Sie eine 60-kWh-Batterie in zehn Minuten laden wollen, benötigen Sie einen Ladeanschluss mit 360 kW Leistung. Das zeigt, dass die Limitierung zurzeit immer weniger auf Batterieseite liegt, als vielmehr bei der Ladeinfrastruktur.
Bei
 einem Smartphone lässt bei häufiger Nutzung die Leistungsfähigkeit der 
Batterie nach zwei, drei Jahren deutlich nach. Wie lange ist die 
Lebensdauer einer Batterie eines Elektrofahrzeugs?
Die 
Batterie im Smartphone ist ganz anders gestrickt und darauf konzipiert, 
dass Sie das Smartphone nach drei Jahren erneuern. Im Auto ist die 
Batteriesteuerung viel intelligenter, und die Batterie wird auf 
vielerlei Art und Weise, zum Beispiel durch intelligentes 
Lademanagement, vor Überhitzung und anderen schädlichen Einflüssen 
geschützt. Untersuchungen mit neueren Fahrzeugen zeigen, dass nach fünf 
Jahren in der Regel noch 95 Prozent Restkapazität der Batterie zur 
Verfügung stehen. Die Traktionsbatterie in einem Elektrofahrzeug ist so 
ausgelegt, dass sie 2000 Vollzyklen absolvieren kann. Als Beispiel: 2000
 mal 500 Kilometer Reichweite macht eine Million Kilometer. Nach diesen 
2000 Vollzyklen erreicht die Batterie eine Schwelle von 80 Prozent 
Restkapazität, was als Kriterium für das Lebensende der Batterie gilt. 
Die Batterie ist dann aber noch lange nicht kaputt und kann zum Beispiel
 in einem Stationärspeicher von Photovoltaik- oder Windkraftanlagen noch
 zehn Jahre gute Dienste tun.
„Die Traktionsbatterie in einem Elektrofahrzeug ist auf 2000 Vollzyklen ausgelegt.
Maximilian Fichtner

Weltweit entstehen Gigafabriken zur Batteriefertigung. Reichen die
 benötigten Batterierohstoffe global aus für die Zellproduktion der 
kommenden Jahre bzw. Jahrzehnte?
Von der vorhandenen Menge her
 ja. Allerdings wurden die Produktionskapazitäten noch nicht auf den 
stark steigenden Bedarf angepasst, sodass es in einigen Bereichen zu 
Engpässen kommen kann. Wir Forschende versuchen hier Abhilfe zu 
schaffen, indem wir beispielsweise Kobalt komplett aus den neuen 
Batterien verbannen und Lithium zukünftig teilweise durch Natrium 
ersetzen, was den möglichen Rohstoffengpass deutlich mindern wird. In 
Deutschland werden aktuell elf Gigafactories für Batterien geplant. Das 
gibt es in keinem anderen Land. Da entsteht ein riesiges Potenzial, das 
Richtige zu tun. Die entscheidende Frage ist: Produzieren diese 
Gigafactories nur Zellen, oder kümmern sie sich ums Gesamtsystem?
Wie wichtig sind in diesem Kontext Recyclingverfahren von Altbatterien?
Sehr
 wichtig. Man schätzt, dass etwa ab dem Jahr 2034 bereits die Hälfte der
 benötigten Rohstoffe aus dem Recycling stammen wird. Derzeit gibt es 38
 Batterie-Recycling-Betriebe in Europa, die neue Verfahren entwickeln 
und ihre Kapazitäten ausweiten. Wenn die grossen Mengen aus den 
E-Fahrzeugen Mitte der 2030er-Jahre ins Recycling kommen, müssen sie 
vorbereitet sein.
Die Batterie macht einen Grossteil der Kosten eines Elektrofahrzeugs aus. Was muss geschehen, damit diese Kosten sinken?
Dazu
 müssen günstigere Rohstoffe verwendet werden, also Rohmaterialien, 
welche häufig sind, weltweit vorkommen und unkritisch abzubauen sind. 
Weiter muss die Fertigung neue energie- und zeitsparende Verfahren 
entwickeln. Neben dem Umschwung zu nachhaltigeren Materialien ist 
Kostenreduktion der Megatrend in der Batterieproduktion. Das setzt 
überall an: weniger Platzbedarf, weniger Energieaufwand, weniger 
Zeiteinsatz. Da ist viel in der Entwicklung, und es geht schneller, als 
man manchmal denkt. Die Batterie-Entwicklung ist gerade unglaublich 
aufregend.


